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Herr D. und Schröder

Seitenblick

Von Hans W. Korfmann

Es war beim "Griechen" gewesen, bei Dimokritos, wo Herr D. etwa alle vierzehn Tage seine Portion Souvlaki aß. Wenn sonst niemand da war, dann unterhielt er sich mit dem Wirt, der seine Wände nicht mit Anthony Quinn oder mit im Hafen schaukelnden Fischerbooten tapeziert hatte, sondern mit einer Mischung aus Maria Callas, Che Guevara und Otto Rehhagel. Der Wirt war eigentlich gar kein richtiger Grieche mehr, obwohl auch er gern von Geld, Essen oder griechischer Politik sprach. An diesem Abend aber sprachen sie über deutsche Politik. Denn der Fernseher wiederholte die Abschiedsworte des Kanzlers.

"Bin ich froh, dass der weg ist", sagte eine junge Frau am Tisch nebenan.

"Ja, aber dafür kommt jetzt Merkel", sagte der Wirt.

"Das ist immer noch besser als dieser grinsende Schleimer!", sagte die Frau.

"Mal abwarten", sagte der Wirt, in dessen Weltanschauung Schröder schon rechtsaußen war. "Selbst, wenn die Merkel es ehrlich meint: Im Hintergrund stehen karrieregeile Männer, und die werden sie ganz schön unter Druck setzen. Schröder war absolut souverän."

"Aber er hat immer nur gelogen."

"Er hat sich geirrt, das ist ein Unterschied..."

Herr D. bestellte lieber eine Runde Retsina. Dass selbst der Wirt plötzlich nette Worte für den Kanzler finden würde, war befremdlich. Obwohl Herr D. ja selbst so etwas wie Mitleid mit Schröder empfand. Dabei hatte er ihn eigentlich nie gemocht.

Jetzt, zum Abschied, fanden auch die Medien versöhnliche Töne. Da strahlten die Sender plötzlich kleine, freundliche Porträts über ihn aus, auf denen er auf Dorffesten mit einfachen Menschen über den Dorfteich sprach wie ein winziger Bürgermeister. Herr D. fragte sich, wie demokratisch das ist, wenn man diese Filme jahrelang unter Verschluss gehalten hatte. Ob das gerecht ist. Aber warum sollte nicht auch einem Kanzler Unrecht widerfahren.

Frankfurter Rundschau - 2005
© Hans W. Korfmann

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