Herr D. und Gansebohm
Seitenblick
Von Hans W. Korfmann
Herr D. hatte Geburtstag. Und als er die Liebich mit einem Buch auf sich zukommen sah, fühlte er sich dem Nervenzusammenbruch nahe. Zwar war Herr D., bevor er zum Bürohengst wurde, eine echte Leseratte, doch die tägliche Lektüre von Aktenordnern brachte eine gewisse Abneigung gegen Buchstaben mit sich. Seitdem stapelten sich geschenkte Bücher allmählich zu Türmen. Auch in der Zeit, die jede Woche den Briefkasten verstopfte, blätterte er eher aus Gewohnheit. Kürzlich jedoch schafften es einige Worte, bis ins Bewusstsein vorzudringen: "Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs."
So lautete der Titel eines Buches von Barbara Sichtermann und Ingo Rose. Herr D. las weiter: "Warum", schrieb die Zeit-Autorin, "finden Männer eine Frau im Vorstand unerträglich, wieso sind sie immer öfter kinderlos, weshalb verlässt ein Mann seine Familie über Nacht? Die Antworten in diesem Buch dürften nicht nur Frauen interessieren." In diesem Moment beschloss Herr D., das Buch nicht zu kaufen.
Wenige Tage später aber stolperte er in der Kreuzberger Chronik wieder über den werbewirksamen Titel. Britta Gansebohm, die Erfinderin des erotisch-literarischen Salons, hatte die Autoren des Buchs zur Lesung geladen. Die Kreuzberger Chronik spottete: "Bei den Männern am Rande des Nervenzusammenbruchs geht es jedoch eher um die leidenden Frauen als um die vom Herzinfarkt bedrohten Gatten. Eine Bedrohung übrigens, die bislang den Männern vorbehalten war, jedoch mit steigender Integration femininer Arbeitskräfte wohl bald auch die Frauen stark dezimieren dürfte. Für sie aber scheint der Herzinfarkt eine durchaus akzeptable Nebenwirkung zu sein auf dem langen Weg zur endgültigen Emanzipation..."
Herr D. begann, sich ernsthaft für das Buch zu interessieren. Er überlegte, ob die Lesung der Autoren und die folgende Diskussion im Theater nicht eine Alternative zu Sabine Christiansen war. Allerdings hatte er das deutliche Gefühl, nicht eingeladen zu sein. Gansebohm und Sichtermann versuchten, vor allem das weibliche Publikum zu ködern, indem sie schrieben: "Männer sind irritiert, wenn Frauen Fußballweltmeister werden. Sie haben zu schlucken, wenn Frauen ins Militär eintreten. Wenn sie Staatsgeschäfte führen... " Herr D. ging nicht ins Theater.
Denn das war ihm doch etwas zu weltfremd. Herr D. verstand zwar nicht viel von Politik, aber die meisten Männer, die er kannte, unterschieden zwischen CDU und SPD, nicht zwischen Mann und Frau. Und die meisten Männer, die Herr D. kannte, hatten einmal den Dienst mit der Waffe verweigert und wunderten sich über jeden, der freiwillig dazu antrat - egal, welchen Geschlechtes die Rekruten waren. Und wenn Männer angesichts der WM im eigenen Lande schluckten, dann wegen der Herrennationalmanschaft. Das sah sogar Frau Christiansen am Abend dann nicht viel anders.
Frankfurter Rundschau - 2006
© Hans W. Korfmann
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