Herr D. auf der Autobahn
Seitenblick
Von Hans W. Korfmann
Herr D. fuhr nicht mehr gerne mit dem Auto, aber als die nette Nachbarin dann so nett lächelte, wurde er wieder schwach, und da saß er nun also nicht weit von Berlin in einem alten Auto mit einem alten Anhänger und einem alten Klavier hintendrauf, das höchstwahrscheinlich irreparabel verstimmt war, das aber die Nachbarin unbedingt hatte haben wollen, weil schon die Großmutter darauf gespielt hatte.
Gerade erzählte die Nachbarin von der Kartoffelernte, bei der die Enkel hatten helfen müssen, und beinahe hätte Herr D. gegähnt, weil er die Geschichte schon so oft gehört hatte, da vernahm er ein Knurren. Es kam aus der Motorhaube. Es wurde langsam, aber stetig lauter, stotterte dann ein bisschen, um filmreif in einen leisen, aber finalen Knall mit kleiner Rauchwolke zu münden.
Das Auto stand. Am Rand der Autobahn. Und schon kam die Polizei. Verlangte reihenweise Papiere, schlich mehrmals um die Karosse herum, hob den Deckel des Klaviers an, das bekanntlich ein Schmugglerversteck ist, bis der Staatsdiener sagte: "Na, dann wollen wir mal den Abschleppwagen rufen." Herr D. protestierte, aber es dauerte nicht lange, da kreuzten die Abschlepper auf. Gleich mit zwei Fahrzeugen. Einem für das Auto und einem für das Klavier.
"Macht 480 Euro. Ich schreib Ihnen eine Quittung, die können Sie dann beim ADAC einreichen!", sagte der Jüngere der Schlepper. - "Ich bin nicht beim ADAC!", sagte Herr D. Der Mann sah ihn an, als wäre Herr D. gerade dabei, sich zu dematerialisieren oder zumindest in ein seltenes Fossil zurückverwandeln. Der andere schaltete sich ein und sagte: "Macht trotzdem 480".
"Hab ich nicht dabei!", sagte Herr D. "Karte?", fragte der Schlepper. "Auch nicht!", sagte Herr D. "Pech", sagte der Polizist. "Dann kommt das Fahrzeug auf unsern Hof. Am Montag können sie es wieder auslösen. Gegen 480 Euro. Plus Parkgebühr." Das war der Augenblick, an dem Herr D. sich an die Szene aus einem Film mit Bud Spencer erinnerte, der, während die andern Jungs dumme Witze machten, die ganze Zeit still gehalten hatte, um dann erbarmungslos zuzuschlagen. Herr D. schlug nicht zu. Aber immerhin verbal bäumte sich Herr D. ein wenig auf:
"Nun aber mal langsam, junger Mann. 480 Euro, nur weil mein Motor verreckt! Das ist Wucher." Es dauerte keine zehn Minuten, da hatte Herr D. den Mann am Steuer des Abschleppwagens auf 330 Euro runtergehandelt. Dafür verzichtete Herr D. auf die Quittung. Alle waren zufrieden. Die Fahrer lachten, die Polizisten lachten, und die Nachbarin lachte, weil das Klavier nun doch nicht verloren war.
Am Ende lachte sogar Herr D. darüber, die Schlepper in knapp zehn Minuten um 150 Euro heruntergehandelt zu haben.
Frankfurter Rundschau - 2006
© Hans W. Korfmann
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