Herr D. auf der Bank
Von Hans W. Korfmann
Berlin Feuilleton
Es war bereits einige Jahre her, dass Herr D. nach einem Streit mit der Filialleiterin seiner Bank zur Konkurrenz gewechselt war. Herr D. hatte sich darüber geärgert, dass seine Miete nicht überwiesen wurde, nur weil sein Konto in der immerhin 10-jährigen Partnerschaft zum ersten Mal ein winzig kleines Minus aufwies. Da war Herr D. beleidigt. Schließlich war er Beamter, das Geld kam in aller Regel so pünktlich und so sicher wie die Tagesschau im Ersten. "Ich kündige!", hatte er gerufen. Aber er konnte nicht kündigen, solange er im Minus war. Herr D. sagte zur Filialleiterin, sie solle sich einmal vorstellen, man gerate in eine schwierige Situation und habe ein Leben lang einen Euro Minus! Das überstieg ihre Vorstellungskraft, aber Herr D. fuhr fort: "Dann würde diese blöde Bank ein Leben lang acht Euro Kontoführungsgebühren monatlich von mir verlangen, ohne dass ich je aussteigen könnte aus Ihrem blöden Vertrag!" - "So ist es!" sagte die Filialleiterin.
Herr D. suchte sich eine neue Bank. Eine, die er nicht mehr betreten musste. Er machte jetzt alles daheim am Computer. Und weil man es ihm so nett empfohlen hatte, kaufte er sich auch ein Programm zur Verwaltung seiner Vermögen. Das Programm hieß "Modern Cash" und erledigte brav und zuverlässig seine kleinbürgerlichen Geldgeschäfte.
Plötzlich aber fiel das Programm aus. Herr D. schrieb eine Email an die Bank, man möge sich bitte bei ihm melden. Es antwortete ihm ein Computer, der um Geduld bat. Herr D. begann zu telefonieren. Doch entweder geriet er in Warteschleifen oder an einen Sprachcomputer, der ständig behauptete, Herrn D. nicht verstanden zu haben. Irgendwann jedoch traf Herr D. auf einen leibhaftigen Menschen. Und der erklärte ihm, dass "Modern Cash" längst nicht mehr modern und deshalb aus dem Verkehr genommen worden sei.
"Ohne Vorwarnung!" rief Herr D. "Überlegen Sie mal, was da alles passieren kann. Wenn da ein Geschäftsmann in Urlaub fährt in dem Glauben, das Programm überweise pünktlich die Löhne für die Mitarbeiter. Die stehen dann ohne Geld da!"
"Tja, ich weiß auch nicht!", sagte die Frau am Telefon.
"Ich meine, das geht doch nicht. Wenn man bei uns im Haus das Wasser oder den Strom abstellt, dann wird das Tage im Voraus angekündigt. Und Sie stellen wortlos ein Programm ab, das den gesamten Geldverkehr regelt. Das geht doch nicht."
"Tja, ich weiß auch nicht", sagte die Frau am Telefon.
"Und was soll ich jetzt machen?", fragte Herr D.
"Ich kenne mich da leider nicht so gut aus, ich versuche mal, sie mit dem Onlinedienst zu verbinden", sagte die Stimme, und dann klickte es und Herr D. geriet wieder in die Warteschleife...
Frankfurter Rundschau - 2005
© Hans W. Korfmann
zurück
|